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„Auch ein Fahrkartenautomat muss verstanden werden“

Im Gespräch mit Prof. Ilka Helmig über Design und eine neue Generation an Studierenden

Was hat Wissenschaft eigentlich mit Kunst zu tun, wieviel Kunst steckt in Design und braucht die Welt mehr Kreativität? Prof. Ilka Helmig lehrt an der FH Aachen zur zeichnerischen Gestaltung und visueller Konzeption und ist neue Vorsitzende des Neuen Aachener Kunstvereins (NAK).

Design als Vermittler

Sachverhalte darzustellen, sie erlebbar zu machen - dafür braucht es nicht immer Worte. Ein schnelles, intuitives Verständnis bei den Betrachtenden zu schaffen ist unter anderem die Aufgabe von Design. „Es funktioniert, weil abstrakte Information veranschaulicht und dadurch erlebbar werden“, erklärt Prof. Helmig. Gestalterinnen und Gestalter sind Vermittelnde. Sie übersetzen einen Sachverhalt auf visuelle Art und Weise und bauen Brücken zwischen Themen, Medien und Menschen. Im Fokus steht immer ein konkretes Ziel, das kommuniziert werden soll. 

Laut Helmig bedeute kreative Arbeit ungefiltert in alle Richtungen wahrzunehmen. Im Gestaltungsstudium lernen die Studierenden deswegen ihre Wahrnehmung zu erweitern und sich selbst bei diesem Vorgang zu reflektieren. Manchmal gilt es dabei auch erlernte Strukturen aus der Schulzeit wieder aufzubrechen. Neugierde und das Vermögen sich selbst und die eigenen Fähigkeiten auszuprobieren, das bringen die meisten angehenden Gestalter:innen schon beim Start ins Studium mit. „Wenn Studierende dann im Studium durch Experiment und Forschung einen Bereich finden, der sie langfristig interessiert, ist viel gewonnen. Es lohnt sich dort hinzusehen wo man ‚rote Backen und heiße Ohren‘ bekommt. Denn wenn man etwas verfolgt, was einen wirklich interessiert hält man im Zweifel auch längere Durststrecken im Berufsleben durch, wenn es einmal nicht so gut laufen sollte“, erklärt Prof. Helmig. „Als Lehrende Person möchte ich den Studierenden eine Art Parcours in Form von Aufgabenstellungen aufbauen, durch den sie sich hindurch navigieren können. Das ergibt die Möglichkeit, dass die Studierenden Themen finden, bei denen der Funke überspringt. Die Studierenden sollen im Verlauf Ihres Studiums schließlich das Selbstbewusstsein erlangen, eigene kohärente Projekte zu realisieren. Als Lehrende in einer praxisbezogenen Disziplin habe ich dann eher eine begleitende Funktion.“ Schließlich finden im Gestaltungsprozess Kreativität und Nutzen wieder zueinander. „Gestaltung, die intuitiv funktioniert hat neben der kreativen Leistung auch eine strategische Komponente: ein Fahrkartenautomat muss ohne größere Erklärung verstanden werden“, erklärt Prof. Helmig.

Was Kunst kann

Kunst habe keinen Beweisdruck; es sei der spekulative Umgang mit den Themen, der neue Möglichkeitsräume aufmache. Während Design versucht Fragen zu beantworten und Probleme zu lösen, geht es in der Kunst oft darum Fragen zu stellen, auch wenn sie unbeantwortet bleiben. Sie kann Unschärfe aushalten, operiert zwischen Ambivalenzen und Spannungsverhältnissen. In ihren künstlerischen Arbeiten beschäftigt sich Prof. Helmig mit visuellen Aspekten von wissenschaftlichen Fragestellungen sowie kulturellen oder auch natürlichen Phänomenen. Kunst und Wissenschaft, zwei Welten, die auf den ersten Blick nicht viel gemein zu haben scheinen, verbinden sich in Helmigs Arbeiten: „Mich interessiert die Mentalität und Resilienz, die sowohl Künstler:innen als auch Wissenschaftler:innen gleichermaßen haben. Manchmal bleiben die Fragestellungen, die sich Forschende stellen Jahrzehnte lang unbeantwortet.“ Sich inhaltlich auf ungesichertes Terrain zu begeben haben die beiden Disziplinen gemeinsam.

Verbindungen und Partizipation in der lokalen Kunstlandschaft zu ermöglichen - auch in ihrer Arbeit im Vorstand des Neuen Aachener Kunstvereins ist das ein zentrales Anliegen von Helmig. Möglichkeitsräume zu schaffen, nicht nur für Menschen, sondern mit Menschen zusammen gehört zu ihren Zielrichtungen.

Eine neue Generation an Studierenden

Gegenwärtige als auch vergangene Krisen hätten bei der neuen Generation für ein neues Bewusstsein von Vulnerabilität geführt. Reflexionen über gesellschaftliche Themen oder Aspekte der Nachhaltigkeit sind auch in den Gestaltungsarbeiten der Studierenden vermehrt wiederzufinden. Für welche Institution oder Organisation zu welchem Zweck gestaltet wird rückt immer mehr in den Fokus einer neuen Generation von Designerinnen und Designern. Sich in einer unruhigen Welt schnell zurecht finden zu können, für Gestalter:innen gehört dies zum Berufsbild mit dazu. „Gestalter:innen sind gewissermaßen darin trainiert sich auf unsicherem Terrain zu bewegen. Sie bieten eine andere Möglichkeit an wie man auf die Welt blicken kann. Das ist eine gute Vorbereitung für unruhige Zeiten“, meint Prof. Helmig.