Erfahrungsbericht Oliver Möller
Oliver Möller im Interview
Oliver Möller, Unternehmensberater bei umlaut AG
1. Erzählen Sie uns etwas über Ihren Werdegang, von Ihrem Schulabschluss bis hin zu Ihrem beruflichen Einstieg.
Ich denke ich hatte einen relativ untypischen Werdegang vom Schulabschluss bis zum beruflichen Einstieg. Vermutlich haben die meisten das Bild von einem Unternehmensberater, dass er geradlinig durch das Studium zum Abschluss und Berufseinstieg gelangt. Das war bei mir anders. Ich habe sehr lange für mein Studium benötigt und musste mich zeitweise zäh durchbeißen. Das hat sich schlussendlich aber nicht als Nachteil herausgestellt, da ich im Studium wirklich gelernt habe zu lernen, mich Problemen zu stellen, mich selbst zu organisieren und niemals aufzugeben. Wie ich zu meinem Studiengang gekommen bin? Damals wurden Berufsinformationsbroschüren vom Arbeitsamt in der Schule ausgelegt. Da ich ein Faible für Physik hatte war Elektrotechnik wegen der größeren Auswahl an Berufsmöglichkeiten meine Option. Aachen hatte einen ausgezeichneten Ruf im Bereich Elektrotechnik und so habe ich mich dann für Aachen entschieden.
Vor meinem Studium war ich zudem noch zwei Jahre Reserveoffizier in einer Ausbildungskompanie der Bundeswehr. Das war gut, da ich dort bereits in jungen Jahren viele Dinge über Personalverantwortung lernen konnte.
2. „umlaut“ wird als internationales, branchenübergreifendes, Full-Service Unternehmen beschrieben, welches Fulfillment Dienstleistungen für globale Kunden anbietet. Könnten Sie genauer beschreiben, was damit gemeint ist? (Was sind die Key Services?)
Die umlaut hat 1996, damals noch P3, mit Consulting im Bereich Automotive als Beratungsunternehmen begonnen. Es kamen aber im Laufe der Zeit immer mehr Beratungsprojekte aus anderen Branchen mit größerer technischer Tiefe hinzu. Ebenfalls wurden neben der reinen Beratung auch vermehrt Engineering und Testservices angeboten, so dass sich über die Zeit ein sehr breitbandiges Spektrum aufgebaut hat. Die umlaut nutzt von jeher intensiv das interne Netzwerk, weswegen Projekte sowohl horizontal als auch vertikal bedient werden können. Die Umlaut bedient heute fast alle Branchen, Automotive, Aviation, Mobilfunk, Energiesektor, Behörden, Industrie und bietet dabei Beratung jeglicher Art, vielseitige Testservices, Big Data Analytics, Security usw. an. Wir sind wirklich fast überall vertreten. Das Portfolio ist mittlerweile so breit gefächert, dass auch ich bei unserer internen Informationsmesse, der „umlaut Convention“, immer wieder überrascht bin, was wir alles können. Das Besondere an umlaut ist klar die Fachexpertise, die bei uns intrinsisch verankert ist und aus dem Ingenieurswesen kommt. Wir betreuen Projekte vollständig Ende-zu-Ende, d.h. von strategischer Beratung bis hin zum Byte und können alles mit interner Expertise abdecken.
3. „umlaut“ hat heute über 50 Standorte weltweit. 1996 wurde die Holding P3 communications GmbH in Aachen gegründet. 2019 entstand im Zuge einer weiteren Teilung die „umlaut AG“ mit Sitz in Aachen. Was macht Aachen als (Gründungs-) Standort aus?
Aachen hat neben der FH Aachen, die RWTH Aachen mit insgesamt über 45.000 Studierenden, eine nahegelegene Fachhochschule in Jülich und man ist hier grenzübergreifend in der Euregio vernetzt. Zudem bleiben wir aufgrund der Nähe sowie des aktiven Austauschs mit den Universitäten und Fachhochschulen fachlich am Puls der Zeit und können so auch sehr gute neue Mitarbeiter aber auch Studenten werben. Aachen ist somit ein sehr guter, zentraler und natürlich ausgesprochen sympathischer Standort.
4. Was gibt es noch für aktuelle/vergangene spannende Projekte/Kooperationen?
Wie oben erwähnt hat umlaut Projekte in fast jeder Branche weltweit. Ich möchte mich hier auf einige meiner eigenen Projekte beschränken, weswegen die Auswahl nur ein wirklich sehr kleiner Ausschnitt vom breiten umlaut Portfolio ist.
Ich kann behaupten bisher wirklich nur spannende und lehrreiche Projekte gehabt zu haben.
In der Automotive z.B. arbeiten wir in sehr vielfältigen Feldern. Das geht von Antennenoptimierung über den Bereich der Telematik Einheit weiter zur Batterieladeinfrastruktur bis hin zu V2X und strategischer Beratung sowie Testmanagement.
Ich möchte ein eigenes Beispiel anführen, bei dem ich ein eine Studie für einen Fahrzeughersteller durchgeführt habe. In der Studie ging es darum unterschiedliche Technologien für die Konnektivität im Fahrzeuginnenraum zu bewerten. Es wurden zwei Technologien verglichen und ich sollte die Frage beantworten, was nach Stand der Technik für die kommenden Fahrzeuggenerationen optimal und zukunftssicher ist.
In einem anderen Projekt ging es beispielsweise um die Überprüfung der Robustheit und Empfangsqualität von eCall Notrufantennen im Fahrzeug. Die Ergebnisse waren für den Fahrzeughersteller ziemlich ernüchternd und es musste massiv nachgebessert werden.
Vor eine echte Herausforderung wurde ich gestellt, als ich den Auftrag hatte einen Fahrzeughersteller hinsichtlich seines, in die Fahrzeuge verbauten, Navigationssystems zu beraten. Ein wirklich spannendes Projekt, das über ein dreiviertel Jahr ging, mit europaweiten Tests, parallel durchgeführt von 9 Teams, einigen eingehandelten Blechschäden, sehr viel Kommunikation und immer wieder unvorhersehbaren Überraschungen. Hier sollten sowohl technische als auch User Experience Aspekte mit anderen Fahrzeugherstellern verglichen und „objektiv“ bewertet werden, um das eigene System zu optimieren. Für rein technische Daten ist sowas relativ einfach machbar. Aber hier spielten so viele Bewertungsfaktoren eine Rolle wie u.a. Kartenqualität, Benutzerfreundlichkeit der GUI, Visualisierung, Philosophie der Routenauswahl, Navigationsansagegüte, Timing, etc., sodass es wirklich ein extrem komplexes aber schlussendlich doch erfolgreiches Projekt wurde. Es ist natürlich ein tolles Erfolgserlebnis, wenn die Ergebnisse der Projekte auch wirklich in den neuen Fahrzeuggeneration berücksichtigt werden.
Ein anderer sehr großer Bereich ist „Transport“, also alles was mit Beförderung und der dazu notwendigen Infrastruktur zu tun hat; Schienenverkehr, Flugverkehr, Öffentlicher Nahverkehr usw. Die Projekte sind beispielhaft die Optimierung der Flugabfertigung oder des Bahnsteigbetriebs, BCM Beratung, Optimierung der Konnektivität innerhalb von Beförderungskabinen, bis hin zur Telematikeinführung beim Güterverkehr, allgemein alles Themen der Digitalisierung.
In diesem Bereich möchte ich ein für mich unerwartet spannendes Beratungsprojekt zur Technologie und Strategieauswahl für das Aufzugnotrufsystem auf den Bahnhöfen anführen. Bei dem Projekt sollte analysiert werden welche Technologie und welche Notrufsysteme zukunftssicher eingesetzt werden sollen. Dieses Projekt war auf den ersten Blick vollkommen unkompliziert und klein. Wir reden hier vom Auslösen des Notrufknopfes in Aufzügen und der dahinterliegenden technischen Infrastruktur. Es hat sich dann aber aufgrund behördlicher und technisch überraschender Faktoren schlussendlich als ausgesprochen umfangreich und komplex dargestellt.
Seit 2017 berate ich nun ein Unternehmen mit weltweit über 13.000 Mitarbeitern im Bereich Heiztechnik zur Einführung der Cybersecurity nach IEC62443. Der Hersteller macht seine Endgeräte smart und ist somit mit der Bedrohung konfrontiert, dass seine vernetzten Heizgeräte beliebtes Ziel für Hacker sind. (Der aktuelle BSI Report „Lage der IT Sicherheit“ spricht von bis zu 110.000(!) Botnetzinfektionen täglich). Da die primäre Kernkompetenz dieses Unternehmens im Bau von Heizgeräten liegt, ist hier massiver Nachholbedarf notwendig. Die Beratung reicht daher vom Aufbau eines ISMS/CSMS über die Einführung einer sicheren Produktentwicklung bis hin zur Beratung zur Einführung eines Security Information Event Management (SIEM) Systems.
5. Sie sind jetzt bei „umlaut“ als Cybersecurity Consultant tätig. Was genau umfasst Ihren Aufgabenbereich?
Zuerst möchte ich die Frage klären: Was ist Beratung eigentlich? Ich möchte hier wirklich darüber aufklären, dass ein authentischer Unternehmensberater nicht derjenige ist, der mit einer Sense durch die Firma geht und nur Kosten einsparen will. Beratung bedeutet neben der fachlichen Aufklärung und der Entwicklung von kundengerechten Lösungen: Zuhören, miteinander reden, Kaffee trinken, auf die Schulter klopfen, Mut machen, Ängste nehmen, Ansprechpartner sein. Firmen, die beraten werden möchten sind sich fast immer schon ihrer Probleme bewusst. Sie wissen meist schon, was eigentlich getan werden müsste um Themen zu lösen, können es aber aufgrund von firmenpolitischen Begebenheiten nicht umsetzen. Ein Grund hierfür ist, dass oftmals „Grabenkämpfe“ interner Verantwortlichkeiten und Aufgabenübernahmen starten, sobald etwas Neues in einer Firma eingebracht werden soll. Die einen haben teilweise Angst Macht zu verlieren, die anderen haben Angst, dass ihr Job gefährdet sein könnte, andere wiederum scheuen einfach das Neue. Daher wird der Berater zuerst immer als Fremdkörper angesehen und wird nicht von vornherein von allen akzeptiert. Was sind also die Aufgabenbereiche als Consultant der Cybersecurity? Zuerst einmal ist es absolut notwendig durchgehend zuzuhören und zu erkennen was der Kunde will und was er nach ausgiebiger Analyse wirklich braucht. Der Berater darf nicht direkt bei allen Kundenwünschen sagen „das machen und schaffen wir“. Das ist Quatsch. So jemanden sollte man sofort abziehen, da er den Ruf der Berater ruiniert. Kundenwünsche müssen erst geprüft und dann sinnvoll bewertet werden. Danach kann dem Kunden erst eine fundierte Aussage gegeben werden. Zusammengefasst muss man als Berater also zuerst aktiv zuhören, die Probleme analysieren, klarstellen, aufbereiten und danach die Erkenntnisse für die Chefetage sowie andere Stakeholder verständlich machen.
Oft sind Strukturen, die ein Unternehmen zur Problemlösung benötigt, bereits vorhanden. Man hat als Berater dann die Aufgabe einen Blick aus der Hubschrauberperspektive wie auf eine Landkarte zu werfen und die Engpässe zu identifizieren, sei es technisch, organisatorisch oder prozessual. Aus der Hubschrauberperspektive erkennt man die Probleme sehr gut, nicht aber, wenn man bereits, wie die Firmeninternen, in der Straße im Stau steht. Ein Berater muss daher gefühlvoll die Optimierungen, die mit allen abgestimmt sein müssen, umsetzen. Man kann sich das vorstellen wie beim Schlittenfahren. Man muss erst einmal behutsam anschieben und sobald der Schlitten anfängt selbstständig zu rutschen, ist das Beratungsende so gut wie erreicht. Dann kann man sich langsam zurückziehen, bleibt aber noch aufmerksam und verfügbar, falls an manchen Stellen nochmals Hilfe benötigt wird. Für den Berater ergeben sich so ca. 70% Kommunikation, Empathie, aktives Zuhören, Ausreden lassen und Wertschätzung. Die restlichen 30% sind eingebrachte fachliche und fundierte Expertise.
6. Was genau (welche Fächer) hat Sie dazu gebracht bei einem Unternehmen wie „umlaut“ tätig zu werden?
Ich habe mich im Studium bewusst für die Fachrichtung Elektrotechnik mit Schwerpunkt Mobilfunk entschieden, da dies aus meiner Sicht ein zukunftsorientierter und spannender Arbeitsmarkt war und mich fachlich sehr interessierte und interessiert. Kurz nach Abschluss meines Studiums hat umlaut, damals P3 Solutions, an der Universität nach einem Testingenieur für mobile Endgeräte gesucht. Die Aufgabe, Prototypen Feldtests für Nokiatelefone durchzuführen, klang für mich ausgesprochen spannend. Damals wie heute hat mir besonders die P3 Solutions Philosophie „Family and Friends“ gefallen, was mir nahelegte, dass Sozialkompetenz in der Firma hoch bewertet war und auch heute noch bei der umlaut ist. Ich wurde kurzfristig eingeladen und bekam den Job. Ich bin also quasi ein frühes Beispiel für den oben beschriebenen Vorteil des Standortes Aachen und dessen Hochschulnähe.
7. Mussten Sie bei „umlaut“ von Null beginnen oder haben die gelernten Inhalte/Methoden aus dem Studium beim Berufseinstieg geholfen? Wenn ja, welche?
Ich habe an der Universität gelernt zu lernen, mit Problemen umzugehen und mich durchzubeißen, wenn es darauf ankommt. Alles Dinge die im täglichen Projekt- und Beratungsgeschäft absolut notwendig und grundlegend sind. Auch die mobilfunkbezogenen fachlichen Inhalte aus meinem Studium und das erlernte Grundverständnis Systeme strukturiert zu analysieren haben mir den Einstieg zum Testingenieur deutlich erleichtert.
8. Welchen Rat können Sie zukünftigen/aktuellen Studierenden (der FH Aachen) mitgeben?
„Bleibe Authentisch!“. Bleibe Deinen Werten treu und verbiege Dich nicht. Natürlich möchte sich jeder im Job gut stellen, jedoch nicht um jeden Preis. Sobald persönliche Grundwerte durch den Job konterkariert werden, sollte die Jobentscheidung überdacht werden. Wer sich für den Job verstellt wird damit auf Dauer nicht glücklich, dann winkt ganz schnell der „Burn-Out“. Wenn Dinge im Job abverlangt werden, die vollkommen entgegen persönlicher Grundwerte sind, ist „Nein“ immer eine mögliche Antwort.
Im Grunde ist das Berufsleben wie eine lange Reise, man kommt immer wieder an wundervollen und spannenden Dingen vorbei und verweilt dann gerne bis man sein „zu Hause“ gefunden hat. Bei mir ist das die Beratung im Bereich Cybersecurity, was alle meine Interessen vereint, Kommunikation, Qualität, Technik. Der erste Job ist nur der erste Schritt der Reise. Der braucht nicht perfekt zu sein, sollte aber mit Sinn und Freude angegangen und gemacht werden.