SYMPOSIUM 2023 Kontext Bestand

19.06.2023 _ Morschenich-Alt

Der Schlüsselsektor Bauwesen gilt als der Elefant im Klimaraum. Er ist für fast 40 % der deutschen Treibhausgas-Emis­sionen verantwortlich. Zudem ge­hen 60 % des Abfallaufkommens in Deutschland auf den Gebäudesek­tor zurück. Für das Einhalten der 1,5°-Grenze ist es laut einer Studie des Wuppertal Instituts essentiell, dass unser gesamter Gebäudebe­stand bis 2035 klimaneutral wird. Architects for Future Deutschland e.V. fordern daher in ihrem Vorschlag für eine Muster(um)bauordnung Maßnahmen, die als Mindestziel Klimaneutralität und -resilienz verfolgen und langfristig klimapositive Gebäude hervorbrin­gen.

Ein weiter wie bisher ist also keine Option, eine Veränderung der aktuellen Praxis im Umgang mit Bestandsbauten, neue Ideen einer Umbaukultur und Architekturproduktion, die Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zentral, um die gesetzten Klima­schutzziele zu erreichen.

Im Strategiepapier der Gemeinde Merzenich Lust auf eine gute Zukunft (2022) wird für Morschenich-Alt die Transformation der „identitätsstiftenden und charakterbildenden Siedlungsstrukturen“ nach Prinzipien des Bauens im Bestand und der Ressourceneffizienz benannt – basierend u.a. auf der Denkmalpflegerischen Analyse zur Dorferneuerung von Morschenich (2021) des LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, eines noch zu erarbeitenden dynamischen Masterplanes und den Lehr- und Forschungsarbeiten der FH Aachen.

Wie aber sieht eine Umbaukultur aus, die den Bestand achtet, ihn aber dennoch nachverdichtet? Welche neuen und experimentellen Herangehensweisen und Regeln braucht es, um innovative Pflöcke einer zukunftsfähigen Transformation einzuschlagen? Und welche Akteure und Koalitionen, welche koproduktive Praxis braucht es für die Umsetzung?

Das Symposium findet im Rahmen der tu ! Temporäre Universität Hambach (17.06.–24.06.2023) statt.

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Kontakt

Stadtplanung, Transformation
und Prozessgestaltung

Lehr- und Forschungs-
schwerpunkt Zukunftsfähige
Transformation

Prof. Dipl.-Ing.
Isabel Maria Finkenberger

finkenbergerfh-aachen.de
T +49. 241. 6009 51113

Programm

ab 9.30 Uhr  >  Ankommen

10.00 Uhr  >  Begrüßung und Einführung

Prof. Isabel Maria Finkenberger, FH Aachen

10.15 Uhr  >  Zukunft Dorf

Dr. Anika Noack, BBSR: Verlassende Dörfer – neue Dörfer. Strukturwandel sozial gestalten

Andrea Nickisch, Netzwerk Zukunftsorte: Vom Leerstand zum Zukunftsort – lmpulse für neue lebenswerte Orte auf dem Land

11.30 Uhr  >  Village Transformation (in englischer Sprache)

Ward Verbakel, Visiting Professor KU Leuven/PLUSOFFICE: In search of a village urbanism in Flanders

Prof. Dr. Liesbeth Huybrechts, UHasselt: Participatory Design of socio-environmental transitions in rural areas

13.00 Uhr  >  Mittagspause

13.30 Uhr  >  Kontext Bestand

Peter Köddermann, Baukultur NRW: Zur Kultur des Planens

Prof. Jan Kampshoff, TU Berlin/modulorbeat: Aufbruch ins Bestehende

Prof. Ragnhild Klußmann, Alanus Hochschule/raumwerk.architekten: Bestand lesen

15.00 Uhr  >  Ausklang

Referent*innen

Prof. Dr. Liesbeth Huybrechts, UHasselt

Liesbeth Huybrechts is Associate Professor and works in the areas of participatory design, design anthropology and spatial transformation processes in the research group Arck, University of Hasselt. She has developed a research interest in the design for/with participatory exchanges and processes of capacity building between human and the material/natural environment and the “politics” of designing these relations. She explores this in several research (fundamental, EU and in commission of governments, public and private organisations) and educational projects and in her work on the level of coordination and policy. 

Participatory Design of socio-environmental transitions in rural areas

This presentation will discuss the approach of the Living Lab – De Andere Markt (DAM) in Genk which engages closely with the challenges of Participatory Design of socio-environmental transitions, often in spatially dispersed and rural areas. It will explain how a set of four collective capabilities are developed to support Participatory Design in these types of areas. It will use the “North-South project” as a case study: a project concerned with a large road transition in Limburg (in the former coal-mining municipality of Houthalen-Helchteren, connecting the Dutch “North” with the Belgian “South”), where we traced, reconnected, reimagined and reinstitutioned the diverse relationships people had with the road and its environment.

Andrea Nickisch, Netzwerk Zukunftsorte

Nach ihrem Studium der Stadt- und Regionalplanung an der BTU Cottbus beschäftigte sich Andrea Nickisch in verschiedenen Planungsbüros in Maastricht, Aachen und Dresden mit Stadt-, Quartiers- und Gebäudeentwicklung, insbesondere mit Planen und Bauen im Kontext Bestand. Im Netzwerk Zukunftsorte begleitet sie aktuell im Rahmen des Förderprogramms Heimat 2.0 prozesshaft das Modellprojekt „Leerstands-Matching – gemeinwohlorientierte Leerstandsbelebung“ in der brandenburgischen Kleinstadt Angermünde.

Vom Leerstand zum Zukunftsort – lmpulse für neue lebenswerte Orte auf dem Land

Wie können ländliche, strukturschwache Regionen von der Stadtflucht profitieren und sich zu attraktiven Innovationsräumen entwickeln? Die Vision des Netzwerk Zukunftsorte: Durch Revitalisierung von Gebäudeleerstand und Aktivierung der Zivilgesellschaft werden gemeinwohlorientierte Wohn- und Arbeitsorte sowie offene Begegnungsorte geschaffen, die als Katalysatoren einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel in ihrem Umfeld anstoßen. Der Beitrag beleuchtet, welche Rahmenbedingungen es braucht, damit Initiativgruppen, kleine Kommunen,
Eigentümer*innen und übergeordnete Institutionen leichter Zukunftsort-Projekte anstoßen bzw. unterstützen können, wie eine bessere Kooperation der Akteur*innen gelingen kann und was es bedeutet, das Planungsinstrument des Konzeptverfahrens in kleinen Kommunen anzuwenden. Die digitale Wissensplattform sowie das neu geplante Netzwerk für Zukunftsort-Kommunen werden vorgestellt.

www.zukunftsorte.land

Dr. Anika Noack, BBSR

Dr. Anika Noack leitet seit Oktober 2021 das Referat „Transformation“ beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung“ am neuen Standort in Cottbus. Anika Noack ist ausgebildete Soziologin, die zu sozialen Innovationsprozessen und zivilgesellschaftlicher Beteiligung an der TU Berlin promoviert und bis 2021 an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und dem Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung geforscht und gelehrt hat.

Verlassende Dörfer – neue Dörfer. Strukturwandel sozial gestalten

Es ist nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung, die über Zukunftsperspektiven von Dörfern oder ganzen Regionen entscheidet. Auch eine aktive Zivilgesellschaft, identitätsstiftende Bilder und ein starker sozialer Zusammenhalt in einer als Heimat empfundenen Region spielen eine wichtige Rolle. Dies gilt umso mehr, wenn sich Dörfer in einem umfassenden Strukturwandelprozess befinden – so wie es im Rheinischen, im Mitteldeutschen und im Lausitzer Revier der Fall ist. Am Beispiel der Braunkohleausstiegsregionen in Deutschland verknüpft der Beitrag soziale Folgewirkungen von bergbaubedingten Umsiedlungen mit sozialen Aspekten von Dorftransformationen und benennt schließlich Herausforderungen in der Erneuerung von Dörfern als Zukunftsorten.

Prof. Jan Kampshoff, TU Berlin/modulorbeat

Jan studierte Architektur in Münster und gründete noch während des Studiums das Atelier modulorbeat, das er gemeinsam mit Marc Günnewig in Münster führt. modulorbeat ist bekannt für Projekte an der Schnittstelle von Architektur, Kunst und Urbanismus. Ihre Arbeiten waren für den Mies van der Rohe Award nominiert und wurde u.a. mit dem Bauwelt Preis sowie dem Deutschen Architekturpreis ausgezeichnet. Als Vorstand der Initiative "Freihaus ms – Stadt ist, wenn man drüber spricht“ bringt er sich seit 2005 in den Diskurs um Planung, Architektur und Kultur in Münster ein. Jan lehrte u.a. an der Bergischen Universität Wuppertal, an der University of Auckland (NZ) und an der Universität Innsbruck. Von 2009 bis 2015 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter für Architektonisches Entwerfen an der Universität Kassel. Als Gastprofessor lehrt und forscht Jan seit Oktober 2017 an der TU Berlin.

Aufbruch ins Bestehende

Aufbruch ins Bestehende ist der Aufruf zu einer reduktiven Strategie, die die planetarischen Grenzen anerkennt und im Bestehenden durch kreatives Interagieren und Weiternutzen die gesellschaftlichen Zukunftsräume schafft. Denn die Welt ist gebaut, alles ist schon da. Knapp 22 Millionen Gebäude unterschiedlicher Altersklassen und Funktionen gibt es in Deutschland. Auch wenn diese ungleich zwischen wachsenden und schrumpfenden Regionen verteilt sind und sich in der Güte ihrer Bausubstanz unterscheiden, ist dies eine üppige Baumasse für das Weiterbauen. In diesem Paradigmenwechsel kommt dem Berufsstand der Architekt*innen und ihrem Werte- und Selbstverständnis eine gewichtige Rolle zu, um in Allianzen und Teilhabeprozessen zu einer geänderten Sichtweise auf das Vorhandene einzuladen – und dies gemeinsam fortzuschreiben.

Prof. Ragnhild Klußmann, Alanus Hochschule/raumwerk.architekten

Ragnhild Klußmann studierte Architektur und Architekturgeschichte in Köln, Venedig und Wuppertal. Gemeinsam mit Marc Hübert führt sie das Büro raumwerk.architekten in Köln, welches sich vom Konzept bis zur Realisierung mit der nachhaltigen Transformation von Orten in Architektur und Städtebau beschäftigt. Neben der Arbeit als Architektin engagiert sich Ragnhild Klußmann ebenfalls in Forschung und Lehre für die Frage nach qualitätvollem Planen und Bauen in gesellschaftlicher Verantwortung, sei es als Mitglied im Vorstand des BDA NRW, im Beirat „Initiative Ergreifen“ für gemeinwohlorientierte Projekte oder als Mitglied im Gestaltungsbeirat der Stadt Köln. Seit 2022 lehrt Ragnhild Klußmann an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft als Vertretungsprofessorin für Gebäudelehre und Gebäudetypologie.

Bestand lesen

Bestehende Baustrukturen, Wohnformen und Gebäudetypen geben uns eine Vielzahl an Inspirationen, um daraus innovative Architekturen der Transformation zu entwickeln. In ihren Projekten versuchen die raumwerk.architekten, Vorgefundenes und Bestehendes an einem Ort aufmerksam zu lesen, um daraus Ideen für die Zukunft zu schmieden. Dabei stehen Geschichten aus dem Alltag oder der bisherigen Nutzung gleichberechtigt neben kulturellem Erbe oder baugeschichtlichem Wert, um in einen architektonischen Dialog zu treten. Welche Werkzeuge gibt es, um dem Ort eingeschriebene Typologien weiter zu entwickeln, die beteiligten Menschen mit mutmachenden Planungsprozessen zu unterstützen oder einen wirklichen Bedarf für die Zukunft eines Ortes zu denken?

Peter Köddermann, Baukultur NRW

Peter Köddermann ist Geschäftsführer/Programm von Baukultur Nordrhein-Westfalen und  als Herausgeber, Kurator und Autor beteiligt und verantwortlich für zahlreiche baukulturelle Themenvertretungen, Ausstellungsprojekte, Veranstaltungsformate und Publikationen. Seit 2005 war er als Kurator und stellvertretender Geschäftsführer im M:AI NRW tätig. Er studierte Geschichte und Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und arbeitete zwischen 1995 und 2000 in unterschiedlichen Funktionen für die Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA).

Zur Kultur des Planens

Es ist nicht das erste Mal, dass Lebensräume in der Dimension von Dorfstrukturen geplant, gestaltet und gebaut werden. Mal war der Auslöser die Industrialisierung mit ihren zum Teil unmenschlichen Wohnverhältnissen, mal der Anspruch, Räume für den „Modernen Menschen“ gestalten zu wollen, um nur zwei Beispiele zu bemühen. Im Rückblick eint alle Ergebnisse der jeweilige Zeitgeist, der immer seinen Ausdruck in der Gestaltung gefunden hat. Was aber zeichnet heute unseren Zeitgeist aus, wenn wir über einen fundamentalen Wandlungsprozess eines Dorfes nachdenken? Gelernt haben wir problemorientiert Komplexität zu beschreiben. Verlernt haben wir ergebnisoffen zu planen, Neues zuzulassen und mit dem Gegebenem wertvoll umzugehen.

Eine aktuelle baukulturelle Betrachtung fordert das durchdachte Experiment für eine Dorfverwandlung. Als Gemeinschaftsaufgabe, zum Umgang mit gebautem Raum, klimabewusst und sozial gedacht. Dann kann Planen und Bauen zu einer positiven Kulturleistung werden.

Ward Verbakel, Visiting Professor KU Leuven/PLUSOFFICE

Ward Verbakel holds a degree as Civil Engineer Architect (KU Leuven) and Urban Design (GSAPP Columbia University). As co-founder of the Belgian based practice PLUSOFFICE he works on various construction and design research projects ranging from landscape urbanism and master planning to public buildings and housing projects. Currently he coordinates the master urban project studios at KU Leuven and is conducting a PhD research on the practice of Village Urbanism. Ward previously taught at GSAPP Columbia University, New York and is president of the artistic board of the magazine A+ Architecture in Belgium.

In search of a village urbanism in Flanders

In Flanders the urbanization and transformation of villages is an ongoing process, that has found a new wave since the turn of the century. The central question for a practice responding to villages is whether a territory that has blurred the urban-rural delineation for centuries, also brings forth a specific design attitude with distinct, context responsive strategies, spatial concepts, methods, and vocabulary. Deducted from seventeen years of PLUSOFFICE’s urban design practice in about hundred Flemish villages, a context responsive method emerges, tested in several masterplans, participatory visions, and design intervention in villages. The village imaginary, garden pattern and village chatter are three of the studied elements that make up a Village Urbanism.

Impressum

Konzeption und Organisation > Lehr- und Forschungsschwerpunkt Zukunftsfähige Transformation

Prof. Isabel Maria Finkenberger
B.A. Noel Huschke

Gemeinsam mit Studierenden des 4. Semesters B.A. Architektur – Städtebau 2. Moderation: Gero Maria Ant, Ann-Kathrin Hering, Mark Niklas Kochanowski, Nils Rick und Julius Viethen.