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Für die Zukunft des Holzbaus
Die Bedeutung des Holzbaus für das Bauwesen nimmt immer stärker zu, und die Verwendung von Holz als Baustoff ist längst nicht mehr auf Einfamilienhäuser beschränkt. Wenn man Holz im industriellen Maßstab effizient verwenden will, müssen leistungsfähige Fügetechniken her – und das am besten nachhaltig. In seinem Forschungsprojekt untersucht FH-Doktorand Simon Kießling das Trag- und Verformungsverhalten von Holz-Holz-Verbindungen.
Verzicht auf Metall und Klebstoff
"Überwiegend werden heute im Holzbau zwei Verbindungsmethoden eingesetzt, nämlich metallische Elemente oder Klebstoff", erläutert er. In immer mehr Bauprojekten soll aber genau darauf verzichtet werden, nicht zuletzt aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten. Im klassischen Zimmereihandwerk sind formschlüssige Holz-Holz-Verbindungen seit Jahrhunderten bekannt, etwa in Schwalbenschwanzform. "So etwas in Handarbeit herzustellen ist sehr zeit- und kostenintensiv", betont Kießling. Für den industriellen Einsatz seien neue Fügemethoden nötig.
Traditionelle Methoden optimiert
Konkret beschäftigt sich der Forscher mit Balkenschichtholz. Dieses kommt beispielsweise zum Einsatz, wenn Dachbalken mit großer Spannweite benötigt werden. "Wir haben die traditionellen Verbindungsmethoden so weit optimiert, dass wir die Bauteile mit modernen CNC-Abbundmaschinen automatisiert produzieren können", sagt er. Drei unterschiedliche Varianten wurden erforscht, simuliert und getestet. Die Versuchsdurchführung erfolgte am Institut für Baustoffe und Baukonstruktionen (IBB) der FH Aachen sowie mit Prüfkörpern großer Spannweite bei externen Materialprüfungs¬anstalten.
Große Innovationsfähigkeit
Betreut wird Simon Kießling von Prof. Dr. Thomas Uibel. "Der Holzbau zeichnet sich durch eine große Innovationsfähigkeit aus. Unter anderem ergibt sich aus der erforderlichen Untersuchung weiterer Holzarten für das Bauwesen ein großes Forschungspotential", betont der Professor, der gemeinsam mit Prof. Dr. Wilfried Moorkamp und Prof. Dr. Leif Arne Peterson das Lehrgebiet Holzingenieurwesen am Fachbereich Bauingenieurwesen vertritt. "Wir haben zahlreiche spannende Forschungsvorhaben. In Zukunft werden wir im neuen Aachener Zentrum für Holzbauforschung (AZH) in Simmerath selbst Großversuche im Bauteilmaßstab, das heißt mit bis zu 15 Metern Spannweite, durchführen können."
Einsatz in der Praxis
Holz ist ein natürlicher Baustoff – dementsprechend gilt es auch für Simon Kießling, dessen spezifische Eigenschaften bei der Forschung zu berücksichtigen. Besonderes Augenmerk gilt dem Trag- und Verformungsverhalten. Klebstofffreie Verbindungsmethoden sind weniger belastbar, zudem müssen Fertigungstoleranzen berücksichtigt werden. Schließlich spielt auch die Feuchteänderung des Holzes eine Rolle: "Bei unseren Projekten kommt sowohl Nadel- als auch Laubholz zum Einsatz. Die haben jeweils ein unterschiedliches Quell- und Schwindverhalten." Das Forschungsprojekt besteht nicht nur aus der Entwicklung theoretischer Berechnungsansätze und deren experimenteller Überprüfung, sondern auch aus der Entwicklung von Empfehlungen zum Einsatz in der Praxis. "Am Ende soll ein Bemessungskonzept stehen, das Bauunternehmen und Ingenieurbüros einsetzen können und das vielleicht später sogar in die europäische Normung einfließt", erklärt er. Damit soll der großen Nachfrage nach klebstofffreien Verbindungsmethoden Rechnung getragen werden.
Promotion am PK NRW
Im Bereich des Holzingenieurwesens ist die Forschung Gemeinschaftsaufgabe: Vier Mitarbeitende sind bereits als Promotionsstudierende registriert oder planen eine Einschreibung. Die Bandbreite der Projekte reicht von der Entwicklung dauerhafter Holzbrücken über Wandelemente und mehrgeschossigen Holzbau bis hin zu Kombinationen mit Naturstein. Die Nachwuchsforschenden profitieren dabei von der Einrichtung des Promotionskollegs NRW, das FH-Doktorand:innen einen direkten Weg zur Promotion ebnet. Prof. Uibel ist eines der 18 professoralen Mitglieder und Mitbegründer der Abteilung Bau und Kultur. Er betont: "Das PK NRW ist ein interdisziplinäres Forschungsnetzwerk, das uns ganz neue Möglichkeiten in der Erforschung innovativer Methoden und Technologien eröffnet."
Simon Kießling kann selbst auf langjährige Praxiserfahrung zurückblicken. Nach seinem Diplom im Bereich Bauingenieurwesen arbeitete er zehn Jahre lang bei einem renommierten Aachener Ingenieurbüro, zuletzt als Projektleiter. Schon zu Studienzeiten hatte er sich mit dem Holzbau auseinandergesetzt, und so fasste er vor sechs Jahren den Entschluss, als Mitarbeiter an die FH zurückzukehren und sich vollständig dem Thema zu widmen. "Am Thema Holz kommt man im Bauwesen nicht mehr vorbei", betont er.