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Recycling statt Downcycling
Einer der wichtigsten Rohstoffe für die Mobilität ist vulkanisierter Naturkautschuk, besser bekannt als Gummi. Der Saft des Kautschukbaums wird durch den Zusatz von Schwefelverbindungen zu dem Ausgangsprodukt synthetisiert, aus dem Schläuche, Förderbänder und Autoreifen hergestellt werden. Der Anbau von Kautschuk in Monokulturen und die damit verbundene intensive Nutzung von Pestiziden und Düngemitteln führen zu erheblichen Umweltschäden. Diese könnten verringert werden, wenn man etwa bei der Reifenherstellung Gummireste wiederverwertet. Dies ist aber bislang nicht effizient gelöst: Meist wird das Altmaterial entweder granuliert und in minderwertigen Anwendungen wie Bodenbelägen eingesetzt oder zur Energiegewinnung verbrannt. Dieses „Downcycling“ führt dazu, dass der wertvolle Rohstoff seine ursprünglichen Eigenschaften verliert und in der Regel nicht in gleichwertigen Produkten wiederverwendet werden kann.
Innovativer Forschungsansatz: Schwefelverwertung durch Mikroorganismen
Jessica Graalmann, Biotechnologin an der FH Aachen, entwickelt neue Lösungsansätze. Dazu verfolgt sie in ihrer Promotion einen innovativen Ansatz. Ihre These: Innerhalb alter Gummiprodukte finden sich Organismen, die Schwefel verstoffwechseln. Aus Straßensinkkästen oder von alten Förderbändern entnimmt die Doktorandin Umweltproben, die im Labor am Campus Jülich in eine Salzlösung überführt werden. Im nächsten Schritt werden die relevanten Organismen aus den Proben isoliert.
Die Idee hinter dem Ansatz: Findet sich ein Organismus, der den Schwefel restlos aus dem Alt-Gummi löst, ohne dabei den Kautschuk anzugreifen, könnte jener mittels Vulkanisierung zu „neuem“ Gummi verarbeitet werden. Die Bakteriengattungen Streptomyces oder Gordonia sind für die Doktorandin besonders spannend, da sie aufgrund ihrer Resilienz in der Lage sein könnten, Kautschuk zu devulkanisieren. Zur Bemessung des Wirkungsgrads muss untersucht werden, ob bei devulkanisiertem und neu-vulkanisiertem Gummi die gleichen Eigenschaften erzielt werden können wie mit neuwertigem Gummi.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Synergien in der Forschung
Auf dem Weg zur Promotion wird Jessica Graalmann von drei Lehrenden des Fachbereichs Chemie und Biotechnologie, Prof. Dr. Johannes Bongaerts, Prof. Dr. Petra Siegert und Prof. Dr. Jürgen Pettrak begleitet. Der interdisziplinäre Erfahrungsaustausch ist entscheidend für den Erfolg ihrer Forschung. Der Wissenstransfer unter den Studierenden ist ein weiterer Baustein: Der Biotechnologiestudent Yannik Preim unterstützt Jessica Graalmann im Rahmen seiner Bachelorarbeit bei der Isolation von Mikroorganismen aus Umweltproben. Parallel zu Jessica Graalmann forscht Max Schlamkow unter Betreuung von Prof. Dr. Markus Biel an chemischen Methoden zur Entfernung von Schwefel. Hier erfolgt eine enge Abstimmung im Team, um Synergien zu nutzen.
Regionaler Einfluss und persönliche Motivation
Mit ihrer Promotion möchte Jessica Graalmann etwas in der Region bewirken. Im Rheinischen Revier, wo der Strukturwandel deutlich spür- und sichtbar ist, gestalten neue Innovationen die Zukunft. Das Graduiertencluster AUFBRUCH unterstützt Promovierende dabei, das Momentum zur Veränderung zu nutzen und eine nachhaltige Bioökonomie mitzugestalten. Insgesamt sind 37 Promotionen in diesem Cluster, vier davon allein an der FH Aachen im Fachbereich Chemie und Biotechnologie. Die Promovierende beschreitet für ihre Forschung neue Wege. Als Erste in ihrer Familie wählt sie den Weg in die Wissenschaft. Dazu erklärt die Doktorandin: „Ich promoviere aus Leidenschaft und liebe Wissenschaft und Forschung, vor allem den Erfahrungsaustausch.“