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Erleuchtung für die Unterwelt

Team des ISCE entwickelt Software zur Verwaltung und Planung von Abwasserkanälen

Unter fast jeder Straße befindet sich ein Abwasserkanal, insgesamt umfasst das Kanalnetz in Deutschland eine Länge von rund 600.000 Kilometern. Wartung und Instandsetzung dieses Systems sind aufwendig – nicht nur, weil die Röhren im Untergrund liegen, sondern weil die Erfassung und Bewertung mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden sind. Das Institute of Smart City Engineering (ISCE) am Fachbereich Bauingenieurwesen der FH Aachen entwickelt eine Software, die einen besseren Überblick schaffen soll.

Universalwerkzeug

"Unser Ziel ist ein Universalwerkzeug, das vielseitig einsetzbar und frei verfügbar ist", sagt Prof. Dr. Jörg Höttges, der das Vorhaben gemeinsam mit Prof. Dr. Karsten Kerres und dem ISCE-Team seit sieben Jahren vorantreibt. Die Software mit dem Namen QKan ist in der Lage, Daten aus unterschiedlichen Quellen einzulesen, grafisch aufzubereiten und zu exportieren, etwa an Simulationssoftware. "Es sind wahnsinnig viele Daten vorhanden", erläutert er, sie lägen aber in unterschiedlichen Formaten vor. Die Systeme seien Insellösungen und untereinander nicht kompatibel – da schafft QKan Abhilfe. "Der Clou ist, dass unsere Produkte als Open-Source-Angebote verfügbar sind, für die Nutzer fallen keine Lizenzgebühren an", betont er. Auch die Basissoftware QGIS fußt auf dem Open-Source-Gedanken.

Alle Informationen im Überblick

Am Rechner demonstriert Jörg Höttges die Einsatzmöglichkeiten von QKan. Auf dem Bildschirm ist ein Stadtplan zu sehen; doch neben den Straßen wird noch ein zweites Netz dargestellt – die Kanäle. Auf einer Farbskala lässt sich sofort ablesen, in welchem Zustand die Anlagen sind. Grün steht für einwandfrei, rot für sanierungsbedürftig. Mit der Maus scrollt der FH-Forscher ins Bild hinein, bis die einzelnen Hausanschlüsse und Schächte zu sehen sind. Alle in den vorliegenden Geoinformationssystemen (GIS) hinterlegten Daten werden an der jeweiligen Stelle angezeigt. "Und wir haben noch eine weitere Funktion entwickelt", sagt er, "mit einer Zeitleistenfunktion können wir darstellen, wann die Kanäle zuletzt inspiziert worden sind."

Tools für die Kommunen

Der Betrieb der Abwasserbeseitigungsnetze ist in Deutschland Aufgabe der Kommunen. "Für die Städte und Gemeinden ist das eine anspruchsvolle Aufgabe", betont Prof. Höttges. Sie seien etwa verpflichtet, umfassende Abwasserbeseitigungskonzepte zu entwickeln. Bis zu 100 Jahre alt sind die Anlagen, eine Sanierung ist oftmals nicht nur mit hohen Kosten, sondern auch mit hohen Belastungen für die Bewohner:innen verbunden – etwa wenn die Straße monatelang aufgerissen ist. Das ISCE entwickelt Tools, mit denen die Kommunen eine langfristige Sanierungsplanung machen können; dazu trägt auch ein neues Tool zur Substanzbewertung bei, das Prof. Kerres derzeit entwickelt. "Am ISCE arbeiten wir Hand in Hand", betonen die Wissenschaftler.

Enge Zusammenarbeit in der Entwicklung

Für die Bürgerinnen und Bürger kann die Forschungsarbeit des Instituts handfeste Vorteile bieten. QKan soll dazu beitragen, den Personalnotstand insbesondere in kleinen und mittleren Kommunen zu lindern und die Kosten zu senken. "Bislang mussten Kommunen und Ingenieurbüros Softwarelizenzen kaufen, um die Abwasseranlagen zu verwalten", sagt Prof. Höttges; diese Kosten könnten zukünftig entfallen. Auch sei denkbar, die Daten auf mobilen Endgeräten darzustellen, was die Instandhaltung vor Ort einfacher mache. QKan wird von den FH-Forschenden in enger Zusammenarbeit mit Kommunen, Wasserverbänden und Dienstleistern entwickelt.

Visualisierung von Hochwasserszenarien

Aber auch ein weiterer Punkt ist von öffentlichem Interesse: Ein leistungsfähiges Kanalnetz ist Teil eines funktionierenden Hochwasserschutzes. Im Fall von unwetterartigem Regen ist das System oft nicht in der Lage, die Wassermengen aufzunehmen; Überflutungen sind die Folge. "Mit unserer Software können wir solche Prozesse visualisieren", erläutert Prof. Höttges. Somit sei es möglich, besonders gefährdete Bereiche zu identifizieren und Schutzmaßnahmen in die Wege zu leiten. Er betont aber auch, dass es keinen vollständigen Schutz vor Überflutungen geben könne; dazu würden massive und unwirtschaftliche Bauwerke und Maßnahmen notwendig, die keine Akzeptanz bei der Bevölkerung finden würden.

Die Arbeit des ISCE ist ein Beispiel dafür, dass die Digitalisierung für viele Arbeitsbereiche wertvolle Werkzeuge bietet. Gerade für Studierende – in diesem Fall im Bereich des Bauingenieurwesens – tun sich hier spannende Zukunftsfelder auf. "Die GIS-Systeme sind bereits jetzt Bestandteil des Studiums", sagt Jörg Höttges. Für angehende Bauingenieurinnen und Bauingenieure sei es unabdingbar, den Stand der Technik zu kennen und moderne Technologien im Rahmen ihrer Arbeit zu nutzen.