Andi Dreger
„Ich wünsche mir eine Gründungskultur in Aachen.“
Andi Dreger ist Alumnus des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften. Seit 2018 arbeitet er in der Aachener Startup-Schmiede digitalHUB als Head of Incubation Management daran, das Thema Gründen in Aachen und der Euregio auszubauen. Er unterstützt nicht nur klassisch gewinnorientierte Startups; besonders liegt ihm das Thema „Social Entrepreneurship“ am Herzen. Doch egal, ob gewinnorientiert oder besonders sozial oder nachhaltig – sein Credo lauet: Traut euch, ein Unternehmen zu gründen, wenn ihr eine gute Idee habt! Wir haben mit ihm über den Mut zum Gründen und über den Stellenwert des Ehrenamts gesprochen.
Wie bist Du dazu gekommen, junge Start ups auf ihrem Weg in den Markt zu unterstützen?
Von 2006 bis 2016 habe ich BWL mit den Schwerpunkten International Business, Marketing und Wirtschaftsinformatik an der FH Aachen studiert. Da habe ich alles an fachlichem Rüstzeug erhalten, was ich heute in meinem Job benötige. Parallel zum Studium habe ich viel gearbeitet. Ich war Hiwi beim Aachener Start-up topsystem. Die haben mich nach dem Studium auch übernommen, und ich habe dort für einige Jahre als Business Development Manager gearbeitet. So hätte es eigentlich weiterlaufen können. Klassischer Werdegang.
Was ist stattdessen geschehen?
Vor einigen Jahren bin ich ehrenamtlich für einige Zeit immer samstags mit jungen unbegleiteten Flüchtlingen schwimmen gegangen. Diese Erfahrung war ein Aha-Erlebnis. Ich bin lächelnd nach Hause gekommen, denn diese Kontakte, diese Tätigkeit haben mir richtig was gegeben. Das hatte ich zu dem Zeitpunkt im Job gar nicht mehr so erlebt, obwohl es ein wirklich guter Job in einem netten Team war.
Ich begann zu zweifeln, ob ich dort noch richtig bin. Durch das Ehrenamt hatte ich erfahren, wie es sich anfühlt, wenn sich eine Tätigkeit wirklich sinnstiftend anfühlt. Ich wollte auch im Job das Gefühl haben, etwas Gutes zu bewirken, jemandem zu helfen mit dem was ich mache. Als ich das Angebot bekam, im digitalHUB Startups auf ihrem Weg in den Markt zu unterstützen, habe ich sofort zugesagt. Heute bin ich dort Head of Incubation Management und bin, gemeinsam mit meinem Kollegen Dr. Christian Klusmann, für unser Startup-Team verantwortlich. Zu meinen Aufgaben zählt unter anderem der Auf- und Ausbau der Community und des Netzwerks in Aachen und der Euregio. Darüber hinaus bin ich für unser Incubation Programm verantwortlich, bin Coach für unsere Startups, zuständig für das Matchmaking zwischen Startups und Corporates und verantworte das Thema Social Entrepreneurship.
Welche Voraussetzungen muss ein Start-up erfüllen, um von Euch unterstützt zu werden?
Wir im digitalHUB unterstützen Start ups, die mit ihren digitalen Geschäftsmodellen auf den Markt möchten. Das können Apps sein oder Cloud-basierte Modelle – wichtig ist, das es einen innovativen Charakter hat. Wenn Du jetzt allerdings ein Start up gründest, dass nicht unbedingt etwas mit Digitalisierung zu tun hat, von dem wir aber denken, dass es ein wichtiges Thema berührt, dann würden wir Dich trotzdem aufnehmen.
Wann ist der richtige Zeitpunkt, um mich als Jungunternehmer ans digitalHUB zu wenden?
Du hast eine konkrete Geschäftsidee und das Team steht. Du hast auch schon ein bisschen Marktrecherche betrieben – dann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt, um zu uns zu kommen und die Idee mit uns gemeinsam zu validieren. Wir prüfen gemeinsam, ob es nur eine Idee ist, oder ob es einen echten Marktbedarf gibt.
Die Gründer haben zu dem Zeitpunkt bereits Monate in ihre Ideen gesteckt. Da wäre es ziemlich frustrierend, dann von Euch zu erfahren, dass es keinen Markt für ihre Ideen gibt.
Das ist richtig. Wir haben natürlich auch erkannt, dass es wichtig ist, die Gründer vorher abzuholen. Wir haben deshalb einen Gründerstammtisch gegründet – unter anderem gemeinsam mit dem Gründungszentrum der FH Aachen. Dort treffen wir uns ein Mal monatlich, um bei einem Bier in entspannten Atmosphäre Ideen auszutauschen, Feedback einzuholen und erste Kontakte in der Startup-Szene zu knüpfen.
Was bietet Ihr den Startups im digitalHUB für Unterstützung?
Wenn man gründet, hat man anfangs viele Fragen und ist auf Hilfe von erfahrenen Leuten angewiesen. Wenn die Startups zu uns kommen, bieten wir zunächst mal eine offene Willkommenskultur. Aber darüber hinaus gibt es auch tatkräftige Unterstützung. Unsere Coaches, die alle einen BWL- oder IT-Hintergrund haben, durchleuchten mit den Startups gemeinsam das Geschäftsmodell und dienen als Sparringspartner. Wir ermitteln gemeinsam die Bedarfe, beraten, bieten Workshops an und helfen beim Beantragen des NRW-Gründerstipendiums.
Und wir spielen die Anfragen der Startups ins Netzwerk. Das ist ein wesentlicher Teil unseres Angebots: Wir vernetzen die Startups. Derzeit sind etwa 270 Startups im digitalHUB, hier bieten sich also enorme Chancen der Vernetzung und des Erfahrungsaustauschs. Wir unterstützen, indem wir passende Kontakte vorschlagen oder herstellen.
Warum sollte man gründen?
Gründen ist eine schöne Erfahrung. Und es erhöht den eigenen Marktwert enorm. Ich habe mich neulich mit jemandem unterhalten, der mir erzählte, dass er, nachdem er einige Jahre ein Startup geleitet hatte, von einem Unternehmen ein sehr lukratives Angebot erhalten hat. Die wollten ihn, weil er aufgrund seiner Erfahrungen als Gründer einfach mehr zu bieten hat als jemand, der nicht gegründet hat. Du hast als Gründer einfach so eine krasse Lernkurve, und das ist auch für etablierte Unternehmen ein enormer Mehrwert.
Dein Plädoyer ist also: Mehr Mut anstatt Suche nach Sicherheit?
Ja, klar. Viele Studierende, die Jobbörsen besuchen, gehen gezielt auf die Stände der großen Konzerne zu. Das ist Sicherheit. Das ist aber alles eine Frage der Kultur. Ich hingegen wünsche mir in Aachen eine Gründerkultur. Aachen soll eine Stadt sein, in der Leute Lust haben, etwas Neues zu schaffen und ein Startup zu gründen oder Lust haben in einem zu arbeiten. In den Letzten Jahren konnte Aachen in überregionalen Wettbewerben führen. So zum Beispiel beim Out of the box Wettbewerb – hier kamen drei der vier Erstplatzierten aus Aachen. Das zeigt, wie viel Potenzial in Aachen steckt, und was wir hier gemeinsam bereits erreichen konnten.
Was treibt dich an?
Ich bin, wie vielleicht deutlich wurde, ein großer Fan davon, dass möglichst viele Leute gründen, weil so neue Ideen auf den Markt kommen und sich etwas bewegt. Und das meine ich nicht nur technologisch oder wirtschaftlich. Selbstverständlich kommen viele Innovationen aus den Startups. Ich würde hier aber gerne einen weiteren Aspekt einbringen: Viele Startups sind so ausgelegt, dass sie rasch viel Gewinn machen – sonst würden Investoren dort ja auch gar nicht einsteigen. Aber ich finde eine andere Idee, sozusagen als Ausgleich, auch sehr spannend: das Social Entrepreneurship. Ich möchte auch Startups unterstützen, die nicht allein auf Gewinn ausgelegt sind, sondern einen hohen sozialen Impact haben. Deshalb habe ich 2021 mit drei anderen Initiatoren das Netzwerk „SEEu - Social Entrepreneurship in der Euregio“ gegründet. Wir verstehen uns als Partner:innen-Netzwerk für soziale und nachhaltige Innovationen. Auch das Gründernetzwerk der FH Aachen ist Teil von SEEu. Es gibt großartige Beispiele aus Aachen fürs Social Entrepreneurship, zum Beispiel die Firma Everwave, die Meere und Flüsse vom Plastik befreien und die Bewohner vor Ort für das Thema Umweltschutz sensibilisieren. (Verweis auf Interview mit Jackie Plaster??)
Soziale Verantwortung und Ehrenamt spielen wichtige Rollen in Deinem Leben. Du hast 2022 zusätzlich ein Start up gegründet, das Ehrenamtler:innen vermittelt. Wieso das?
Ehrenamtlich bin ich ja selbst bereits seit Jahren tätig. Auch meine Tätigkeit bei SEEu ist übrigens ehrenamtlich. Anfang dieses Jahres waren meine Frau und ich für drei Monate in Namibia, wo wir die NGO Wadadee Cares in Windhoek unterstützt haben. Dort haben wir erlebt, dass es zwar viele, meist sehr junge Volunteers gibt, die total engagiert sind und sich da großartig einbringen. Aber wenn es mal ein Problem gibt, dann fehlen oftmals Leute mit Projektmanagement- und anderen fachlichen Skills – oder einfach mit Lebenserfahrung. Wir fragten uns, wie viel man wohl bewirken könnte, wenn nur eine Person aus jedem Unternehmen ehrenamtlich tätig wird. So kamen wir auf die Idee, „Impact Konnection“ zu gründen und das Thema „Corporate Volunteering“ voranzutreiben. Das Konzept von Impact Konnection ist, dass wir auf Unternehmen und deren erfahrene Mitarbeiter zugehen und sie mit NGOs zusammenbringen. Das muss nicht immer gleich überregional sein, sondern Unternehmen können auch gemeinsam mit uns lokal zusammenarbeiten und soziale Einrichtungen unterstützen. Zusammen mit meiner Arbeit im digitalHUB kann ich wirklich sagen: Ich bin genau da, wo ich sein möchte, ich gehe mit einem Lächeln nach Hause.
Datum: September 2022