Tanja Fey
Über Umwege zum „besten Job der Welt“
Eigentlich wollte Tanja Fey als Illustratorin arbeiten. Heute verantwortet sie stattdessen als Art Direktorin im Helmut Lingen Verlag und bei Lingen Design nicht nur das Layout von Büchern und Papeterie, sondern gestaltet darüber hinaus Verpackungen für Nahrungsmittel. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, dass man auf dem Lebensweg manchmal auch ein bisschen Glück braucht, wie auch vermeintliche Umwege genau zum Ziel führen können, und wie sich die eigenen Ziele im Laufe der Zeit ändern können.
Frau Fey, Sie sind in einem Verlag als Art Direktorin tätig. Was genau machen Sie dort?
Seit 2015 arbeite ich im Helmut Lingen Verlag in Köln und zusätzlich seit 2017 bei Lingen Design, einem Ableger des Verlags, der auf Werbung und Marketing spezialisiert ist. Der Verlag stellt vor allem Kinderbücher und Kalender her, aber auch Papeterie. Dort erstelle ich Grundlayouts und prüfe alle Produkte darauf, ob sie optisch und grafisch passen und gut aussehen. Ein Schwerpunkt von Lingen Design ist die Gestaltung von Verpackungen, vorrangig im Bereich Nahrungsmittel. Dort habe ich in den letzten Jahren unter anderem an einem Rollout für Milchprodukte gearbeitet, aber auch Verpackungen für beispielsweise Antipasti und Wurst designt.
Das klingt nach einem abwechslungsreichen Job. Wie sind Sie dort hingekommen?
Dafür musste ich ein paar Umwege und Schleifen drehen. Eigentlich wollte ich Kunst studieren. Also habe ich mir nach dem Abitur 1994 ein Jahr Zeit genommen und an meinen Mappen gearbeitet, mit denen ich mich dann an zwei Kunsthochschulen beworben habe. Die haben mich jedoch beide abgelehnt. Das war für mich ein herber Schlag. So herb, dass ich die Themen Studium und Kunst für mich abhakte.
Irgendetwas musste ich nun stattdessen machen, aber was? Da ich mit Tieren aufgewachsen bin und Tiere sehr liebe, habe ich mich für eine Ausbildung zur Tierarzthelferin entschieden. Das hat Spaß gemacht. Mir lag die Arbeit, und das Team war super. Aber ich habe während der Ausbildung gemerkt, dass mir etwas fehlte und ich doch lieber etwas Künstlerisches machen möchte. Also habe ich, obwohl mein Chef mich gerne gehalten hätte und ich meine Prüfung mit Auszeichnung bestanden habe, nach der Ausbildung die Praxis verlassen.
Und wie ging es dann für Sie weiter?
Nach der Enttäuschung mit den Kunsthochschulen und auch, weil ich auf keinen Fall später in die Werbung gehen wollte, hatte ich ein Studium für mich ausgeschlossen. Also habe ich überlegt, eine Ausbildung in einem gestalterischen Bereich zu machen. Während eines zweiwöchigen Bewerbungstrainings, das ich in der Zwischenzeit absolvierte, hat mich einer der Teilnehmer, ein studierter Geologe, zur Seite genommen. Er gab mir den Rat, ich solle mir das mit der Ausbildung noch mal überlegen und doch lieber studieren. Mit einem Studium, meinte er, stehen einem die besseren Jobs offen. Und überhaupt sei es eine gute Erfahrung, in eine andere Stadt zu ziehen und was Neues zu beginnen. Darüber habe ich nachgedacht – und dann entschieden, dass ich Illustration, also Zeichnen, studieren möchte.
Ein nicht allzu verbreitetes Fach, oder?
Richtig. Ich habe mich also schlau gemacht, wo man das studieren kann. Als ich sah, dass der Fachbereich Design (heute: Fachbereich Gestaltung, d. Red.) der FH Aachen den Studiengang Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Illustration anbot, habe ich mich riesig gefreut. Ich liebe Aachen! Meine Familie lebt zwar in Hagen, aber meine Mutter kommt ursprünglich aus Aachen. Und als Kind habe ich viele Ferien bei meiner Großmutter in Aachen verbracht. Es war also klar: Da will ich hin. Kurz hatte ich noch überlegt, ob ich mich zur Sicherheit an einer weiteren Hochschule bewerbe, aber dann habe ich alles auf eine Karte gesetzt und mich nur in Aachen beworben. Mit ein bisschen Glück bin ich dort dann ja auch genommen worden. (lacht)
Inwiefern brauchten Sie Glück?
Für die Aufnahmeprüfung mussten wir eine Mappe und eine Hausarbeit erstellen. Ich hatte für meine Mappe einen selbstgezeichneten Comic und einige Porträts vorbereitet. Bei der Mappenvorbesprechung schaute sich Professor Endrikat, der damals Illustration lehrte, die Mappe an und meinte, ich solle die Porträts weglassen, mich auf die Comics konzentrieren und sagen, dass ich von ihm geprüft werden möchte. Gesagt, getan. So kam ich also mit den Comicseiten und einer, man muss es leider sagen, ziemlich schlechten Hausarbeit zur Aufnahmeprüfung – und wurde dann einer anderen Prüfgruppe zugewiesen.
Okay, das war’s!, dachte ich. Zu meinem großen Glück traf ich Professor Endrikat aber zufällig auf dem Flur des FH-Gebäudes und sprach ihn an. Und er hat mich tatsächlich spontan noch in seine Prüfgruppe aufgenommen!
Die Prüfung selbst war durchwachsen. Meine Zeichnungen waren gut, aber da war ja noch die Sache mit der schlechten Hausarbeit. Und ich hatte gehört, dass man nur mit den Noten 1 und 2 besteht. Als ich meine Note, eine 2,6, bekam, war ich am Boden zerstört und dachte, das war’s jetzt endgültig. Sechs Wochen vor Semesterbeginn habe ich aber, einem Gefühl folgend, im Fachbereich angerufen um zu erfragen, ob ich vielleicht auf einer Warteliste stehe. Da sagte mir die Dame am Telefon, ich sei drin. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Also habe ich in Windeseile meine Sachen gepackt und mir eine Wohnung in Aachen gesucht. Und auch das war wieder ein Glücksfall: Direkt die zweite Wohnung, die ich mir angeschaut habe, habe ich bekommen. Ich glaube, ich kann wirklich behaupten: Ich bin ein Glückskind.
Was für ein aufregender Start ins Studium! Was ist Ihnen noch in Erinnerung geblieben aus Ihrer Studienzeit?
Als ich mit dem Studium begonnen habe, war ich ja bereits 27 und damit doch etwas älter als die meisten Kommilitonen. Da hatte ich zunächst ein bisschen die Befürchtung, dass das seltsam werden könnte. War es aber überhaupt nicht. Alle waren total offen und kreativ, und solche Formalitäten wie das Alter haben da niemanden interessiert. Das war ein total gutes Miteinander. Hinzu kam die rheinländische Fröhlichkeit und Lockerheit, die ich als Münsterländerin ja nicht gewohnt war, aber super finde. Sehr schön fand ich auch die Arbeit an der Abschlussarbeit, für die ich das Buch „Alice im Wunderland“ illustriert habe. Alles von Hand gezeichnet. Da habe ich mein ganzes Herz reingelegt.
Wie ging es nach dem Studium weiter?
Ich habe mich nach dem Studium als Illustratorin selbstständig gemacht. Mehr und mehr bin ich dann aber als Designerin gebucht worden. Die Zeit als Freelancer war sehr gut und lehrreich, denn in der Zeit ich habe alles Mögliche gestaltet, von Make-up-Anleitungen über Beschilderungskonzepte bis zum Orden für den Aachener Karnevalsprinzen.
Nach etwa drei Jahren habe ich die Selbstständigkeit aber eingetauscht gegen eine feste Anstellung in einem Start-up-Unternehmen, für das ich als Freelancer bereits viele Aufträge erledigt habe. Dort bin ich bis 2015 geblieben, dann hat das Unternehmen leider dichtgemacht. Das war für meinen Mann und mich ein sehr ungünstiger Zeitpunkt, denn zu dem Zeitpunkt war ich gerade schwanger. Nach dem ersten Schreck stellte sich dieser Einschnitt aber doch als für mich positiv heraus: Kurz nach der Geburt unseres Sohnes habe ich mich beim Lingen Verlag beworben, wo ich nicht mehr weg wollen würde. (lacht)
Warum haben Sie sich von der Illustration fortbewegt, die Ihnen so sehr am Herzen liegt?
Genau weil sie mir so sehr am Herzen liegt. Ich mag meine Arbeit als Designerin sehr gerne, sie macht mir riesigen Spaß und ist mir auch wichtig. Aber etwas zu designen ist nicht so eng an mir dran wie Dinge zu zeichnen. Beim Design bin ich nicht so emotional und engstirnig wie beim Illustrieren, und deshalb kann ich viel offener und freier arbeiten. Illustrationen mache ich nur noch für mich privat.
Bei Lingen Design sind Sie in den Bereichen Marketing und Werbung tätig – ein Bereich, den Sie früher für sich ausgeschlossen hatten. Ist Werbung am Ende vielleicht doch gar nicht so schlimm?
Naja, wir machen ja keine klassische Werbung, keine Werbeplakate oder ähnliches. Wir designen Verpackungen für den Food-Bereich. (lacht)
Ganz ehrlich: Ich bin froh, dort zu sein, wo ich jetzt bin, auch wenn das nicht mein Ziel war. Da muss man einfach offen sein für das, was sich einem auf dem Weg bietet. Ich habe heute den besten Job der Welt. Das Wichtigste für mich ist, dass die Aufgaben so vielseitig sind. Es gibt nichts Schlimmeres als Eintönigkeit und Langeweile. Bei uns muss man sich immer auf Neues einstellen, Dinge und Themen angehen, die man so noch nie gemacht oder umgesetzt hat. Nicht selten muss man quasi aus dem Nichts etwas zaubern. Das finde ich großartig.
Datum: Juni 2022