Julia Kessler, Produktentwicklung
Julia Kessler, Biomedizinische Technik + Produktentwicklung + Ph.D.
Während meiner Zeit in der Oberstufe am Cusanus-Gymnasium in Erkelenz war ich der festen Überzeugung, dass ich später einen Beruf in Richtung Medizin ausüben möchte. Am liebsten wäre mir die Veterinärmedizin gewesen. Doch recht schnell musste ich realisieren, dass ich mit meiner durchschnittlich guten Abiturnote nur durch eine lange Wartezeit eine Zulassung zu einem der sehr begehrten Studienplätze für Veterinärmedizin bekommen würde. War es mir wirklich wert so lange zu warten, was sollte ich in der Zwischenzeit sinnvolles tun und wie würde ich als Tierliebhaberin eigentlich mit dem Tod von Tieren umgehen? Je länger ich mich mit diesen Fragestellungen beschäftigt hatte, umso klarer wurde mir, dass dies nur eine falsche Vorstellung meines Wunschberufes darstellte.
Also begann ich mit einer ausführlichen Internetrecherche und horchte in mich hinein, welche Themengebiete mich wirklich reizten und erkundigte mich dazu über mögliche Berufsbilder. Es kristallisierte sich heraus, dass Technik als auch Schwerpunkte aus dem medizinischen Bereich mein Interesse stark geweckt hatten. Und da stieß ich nun auf die Homepage der Fachhochschule Aachen mit einem Studienangebot, welches sich „Biomedizinische Technik“ nannte. Ein guter Mix aus naturwissenschaftlichen Modulen (obwohl meine Mathematiknoten in der Oberstufe nur mäßig gewesen sind und nicht jedes Familienmitglied diese Entscheidung nachvollziehen konnte) und interessanten Modulschwerpunkten in den höheren Semestern, wie Bildgebende Verfahren, Biochemie oder Anatomie, machten es mir recht schnell bewusst: Das wird mein Studiengang!
Nach einem Vorpraktikum in einem Krankenhaus und einem Unternehmen, welches Endoskopische Geräte herstellte, setzte ich dann alles auf eine Karte. Nur eine Bewerbung an die FH Aachen und keine Alternative in petto. Zum Glück erhielt ich den Studienplatz und freute mich auf mein erstes Semester in Aachen…Das Kleingedruckte hatte ich scheinbar überlesen, denn die FH Aachen hatte einen weiteren Standort in Jülich. Wenn auch Jülich nicht meine Wunschstadt gewesen ist, so habe ich viele tolle Erfahrungen während meines Bachelorstudiums sammeln dürfen. Die Lehrveranstaltungen waren gut strukturiert und inhaltlich sehr interessant und die Gruppengrößen waren überschaubar, wodurch ich recht schnell Anschluss bekam und kleine Lerngruppen aufbauen konnte. Besonders gut hat mir das Betreuungsverhältnis während meiner gesamten Studienzeit gefallen. Eine recht persönliche Atmosphäre zu einigen Professorinnen und Professoren hat die Zeit an der FH Aachen besonders geprägt. Auch wenn diese drei Jahre teilweise sehr anspruchsvoll gewesen sind, da mir besonders Grundlagenfächer wie Mathematik und Technische Mechanik viel abverlangten und ich nur durch sehr viel Disziplin an mein Ziel gekommen bin, kann ich rückblickend sagen, dass ich zwar nicht den einfachsten, aber dafür definitiv den richtigen Weg für mich gewählt habe.
Während meines 6. Semesters entschied ich mich dann gegen einen Master in Biomedizin-Technik und für den Master in Produktentwicklung am Fachbereich Maschinenbau und Mechatronik an der FH Aachen und diesmal mit Standort Aachen. Zusätzliche Kompetenzen, z.B. durch Module wie Personal, Unternehmensführung und Projektplanung, -steuerung und –qualitätssicherung zu erlangen, weckte mein Interesse, denn ich wusste bis dato, dass ich im Bereich der Medizintechnik arbeiten möchte, aber mir dazu einfach diverse grundlegende Fähigkeiten, wie z.B. im Umgang mit Mitarbeitern oder aber Projektdurchführungen fehlten. Ich fühlte ich mich nach meinem Bachelor einfach noch nicht bereit und reif für die Arbeitswelt. Mein Masterstudium verlief sehr schnell (rückblickend leider viel zu schnell) und manchmal auch etwas frustrierend, denn es gab Situationen, in denen ich mich als junge Frau an einem von Männern dominierten Fachbereich durchsetzen musste. Dies habe ich aber recht schnell gelernt, denn schließlich wollte ich mich von niemandem entmutigen lassen, mein Studium erfolgreich zu beenden.
Nach nur drei Semestern hieß es dann „Abschlussarbeit schreiben“. Ich lernte den Studiengangleiter und später dann auch Dekan des Fachbereichs Maschinenbau und Mechatronik in einem Modul über die Additive Fertigung/3D-Drucken kennen. Ein unfassbar spannendes Themengebiet, welches sogar Anknüpfungen in der Medizin, nämlich bei der Herstellung von individuellen Implantaten fand. Nach nur wenigen Vorlesungsterminen wusste ich, dass ich in diesem Schwerpunkt meine Masterarbeit schreiben wollte. Ich nahm also all meinen Mut zusammen und ging auf meinen Professor zu, um ihm von meinem Themenvorschlag über die individuelle Implantatherstellung mittels Additiver Fertigung für den Kieferknochen zu berichten. Und prompt hatte ich einen Betreuer und ein Thema für meine Masterarbeit. Gemeinsam stellten wir den Kontakt zu einem Zahnarzt sowie Zahntechniker her und aus meiner Masterarbeit wurde folglich ein ganzes Forschungsprojekt. Nach meinem erfolgreichen Kolloquium erhielt ich die Möglichkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin und für das gewonnene Forschungsprojekt an der Fachhochschule zu arbeiten. Dieses Angebot konnte ich nicht abschlagen, da ich in der Zwischenzeit mit dem Gedanken an eine Promotion spielte.
Das promovieren an einer Fachhochschule recht schwierig war, wurde mir von Beginn an mitgeteilt, aber wie immer im Leben gab es Möglichkeiten und diese ergriff ich durch die Unterstützung meines Mentors und inzwischen Geschäftspartners Herrn Prof. Gebhardt. Durch eine Kooperation mit der Technischen Universität Cluj-Napoca und ein gemeinsames EU-Projekt, erhielt ich die Chance über das Thema „Mechanische Eigenschaften von SLM-gefertigten Gitterstrukturen“ zu promivieren. Nachdem ich im Jahr 2015 ein Unternehmen, welches sich mit der Additiven Fertigung beschäftigt, die IwF GmbH mitgegründet habe und dieses immer noch als Geschäftsführende Gesellschafterin betreue, habe ich im Jahr 2017 meine Promotion erfolgreich mit Summa Cum Laude abgeschlossen und damit auch ein sehr prägendes Kapitel an der FH Aachen. Ich habe die Hochschule sowohl als Studentin, als wissenschaftliche Mitarbeiterin, als Kollegin und Promotionsstudentin durchlaufen und in dieser Zeit viele neue Fähigkeiten erlangt, aber auch mich selbst besser kennengelernt. Zudem glaube ich, liegt ein Vorteil des Studierens an einer Fachhochschule darin, dass es auf einer persönlicheren Ebene stattfinden kann und Kontakte und Netzwerke besser entstehen können als an großen Universitäten. Ich habe Erfahrungen im Umgang mit Studierenden, Mitarbeitern und Professoren gesammelt, die mich für meinen weiteren Werdegang geprägt und vorbereitet haben. Ich bin selbstsicher und stärker geworden, ich weiß inzwischen, dass ich mich auf mich selbst verlassen kann und auch das Treffen von Entscheidungen und die Übernahme von Verantwortung wurde durch die Arbeit an der Fachhochschule gestärkt.
Ich habe zudem über mich erfahren, welchen Weg ich zukünftig einschlagen möchte: Ich befinde ich mich seit fast 1,5 Jahren in einem Programm des Landesministeriums „Karriereweg FH-Professur“, um eine Professur an einer Hochschule zu erlangen. Dieses Programm beinhaltet in Teilzeit in einem Unternehmen praktische Erfahrungen zu sammeln und in Teilzeit an einer Hochschule zu lehren. Die spannende Technologie der Additiven Fertigung an Studierende der Hochschule Niederrhein weitergeben zu dürfen, ist eine besonders schöne Aufgabe, die mir gefällt und die ich mit Leidenschaft ausübe. Und wer sich fragt wieso plötzlich die Hochschule Niederrhein auftaucht: Irgendwann muss man das heimische Nest verlassen und neue Wege einschlagen, um auch daran wieder zu wachsen.
Ich bin durchaus dankbar und kann sowohl das Bachelorstudium als auch meinen Master in Produktentwicklung weiterempfehlen, denn beide haben mich, inklusive der Menschen, die ich kennenlernen durfte, in meiner Person geformt und zu dem Punkt in meinem Leben gebracht, an dem ich nun stehe.
Schlussendlich möchte ich all denjenigen, die sich derzeit auf der Suche nach ihrem passenden Studiengang befinden mit auf den Weg geben:
Setzt Euch mit Euren Interessen und den möglichen Berufsbildern so gut wie möglich auseinander. Entscheidet Euch selbst und ohne Einflüsse von Freunden oder Familie für einen Studiengang! Und auch wenn der Weg zu Beginn steinig erscheint, mit genügend Disziplin und Vertrauen in sich selbst ist nichts unmöglich. Im Gegenteil, manchmal wächst man sogar über sich hinaus. Ich für meinen Teil hätte niemals damit gerechnet, dass ich irgendwann einen Doktortitel erlangen würde...